Stipendiatisches Engagement für Flüchtlinge
Für viele Deutschlandstipendiatinnen und -stipendiaten ist es Ehrensache, sich für Flüchtlinge zu engagieren. Sie rufen eigene Initiativen ins Leben, engagieren sich bei gemeinnützigen Organisationen oder leisten in privatem Rahmen Hilfe.
Für viele Deutschlandstipendiatinnen und -stipendiaten ist es Ehrensache, sich für Flüchtlinge zu engagieren. Sie rufen eigene Initiativen ins Leben, engagieren sich bei gemeinnützigen Organisationen oder leisten in privatem Rahmen Hilfe. Wir stellen Stipendiatinnen und Stipendiaten vor, die beispielhaft für das beeindruckende Engagement aller Studierenden stehen.
Erste Hilfe im Sprachalltag – Dolmetschen überwindet Barrieren
Valeriya Obrosova weiß, wie schwer es ist, in einem fremden Land Fuß zu fassen. Sie stammt aus Russland und ist vor zwei Jahren zum Studieren nach Deutschland gekommen. Inzwischen absolviert die 23 Jahre alte Deutschlandstipendiatin ihren Master in Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Brandenburg. In ihrer Freizeit arbeitet sie ehrenamtlich als Dolmetscherin im örtlichen Flüchtlingswohnheim und hilft russischsprachigen Flüchtlingen aus Tschetschenien und Inguschetien, in den verschiedensten Alltagssituationen Sprachbarrieren zu überwinden. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es alleine nicht einfach ist, alles zu schaffen. Insbesondere wenn man die deutsche Sprache nicht gut beherrscht“, sagt sie. Vier bis sechs Mal pro Monat begleitet Valeriya Obrosova Geflüchtete bei Amtsbesuchen, viele Fälle lassen sich jedoch auch per Telefon lösen. „So kann ich ohne großen Zeitaufwand etwas Wichtiges in meinem Leben tun“, schwärmt sie. Was sie antreibt: „Mir macht es viel Spaß, neue Menschen und Kulturen kennenzulernen. Von jedem Menschen kann man etwas Neues für sich selbst lernen.“ Durch das Deutschlandstipendium vergrößern sich nun ihre zeitlichen Freiräume. „Ich muss jetzt nicht überlegen, wie ich mein Leben finanziere, sondern kann mehr Zeit für das Studium und die Sachen aufwenden, die mir Spaß machen, zum Beispiel mein Engagement.“
Mit theoretischem Wissen praktisch helfen – Refugee Law Clinic Munich e.V.
Die Refugee Law Clinic Munich e.V. bietet mit Unterstützung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten kostenlose Rechtsberatung für Flüchtlinge an. Das Besondere daran: Der Verein wurde 2013 von Studierenden der Ludwig-Maximilians-Universität München gegründet und die juristische Beratung erfolgt auch durch Jurastudentinnen und -studenten. Einer von ihnen ist Deutschlandstipendiat Hao-Hao Wu. Seine Eltern sind Anfang der 90er Jahre aus der Volksrepublik China geflohen. Bereits seit dem zweiten Semester gibt Hao-Hao Wu seine Jurakenntnisse ehrenamtlich an Geflüchtete weiter. Seit Mai 2015 ist er zweiter Vorstand der Refugee Law Clinic Munich e.V. „Es gab zur Zeit der Gründung zwar schon viele Beratungsstellen, aber die waren chronisch überlastet“, sagt Hao-Hao Wu. Neben dem Vorstandsamt leitet der Deutschlandstipendiat auch das Beratungsressort. „Ich teile die Beratungsteams ein und helfe dabei, die Beratung sowohl im Vorfeld als auch im Nachgang inhaltlich zu betreuen“, berichtet Hao-Hao Wu. Die Sprechstunden finden etwa vier bis fünf Mal pro Monat bei der Caritas statt, die als Träger von zahlreichen Gemeinschaftseinrichtungen in München und Umkreis die Geflüchteten auf das Angebot aufmerksam macht. „Die drängendsten Fragen betreffen das Asylantragsverfahren und die Möglichkeiten der Familienzusammenführung“, berichtet Hao-Hao Wu. Kürzlich hat er persönlich zwei syrische Brüder betreut, die nun eine Aufenthaltsberechtigung bekommen haben. „Es kostet viel Zeit, aber Engagement für Flüchtlinge ist eine humanitäre Pflicht“, sagt er.
Alltagshilfe für ein offenes Miteinander
Es war buchstäblich ein Fest der Begegnung. Deutschlandstipendiatin Anne Kurzmann lernte auf einem Willkommensfest für Flüchtlinge der Paulusgemeinde in Halle Wessam, Ahmed und Abdul kennen. Die drei jungen Männer sind vor dem syrischen Bürgerkrieg geflohen. Obwohl nur Wessam gut Englisch spricht, waren sie sich sofort sympathisch. Inzwischen trifft sich Anne Kurzmann regelmäßig mit Wessam, Ahmed und Abdul, kocht mit ihnen oder begleitet sie zum Jobcenter und zum Arzt. Anne Kurzmann studiert im ersten Semester Wirtschaftswissenschaften und Theologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Ein offenes Miteinander und der interkulturelle Austausch liegen ihr sehr am Herzen. „Ich bin gegen Hetze und lieber für etwas. Dadurch kann man viel mehr erreichen“, sagt sie. Sich für andere Menschen zu engagieren, bedeutet für Anne Kurzmann mehr als nur Hilfe zu spenden und Verantwortung für andere zu übernehmen. „Meine Unterstützung ist nicht einseitig. Ich lerne in unseren Gesprächen sehr viel über die Kultur und Religion. Diese Einblicke helfen mir in meinem Studium.“ Am meisten genießt Anne Kurzmann das offene Miteinander und die vielen fröhlichen Momente. „Ich würde sogar sagen, dass sich schon eine richtige Freundschaft entwickelt hat.“ Inzwischen spricht sie auch ein paar Worte Arabisch, die ihr Wessam, Ahmed und Abdul mit den wenigen Worten Deutsch, die sie schon können, beigebracht haben. „Aufgrund der Sprachbarriere reden wir oft aneinander vorbei, aber Wessam, Ahmed und Abdul können trotz ihrer schwierigen Situation noch lachen. Das beeindruckt mich.“
„Willkommen am Hildesheimer Bahnhof“ – Deutschkurse für Flüchtlingskinder
Deutschlandstipendiatin Undine-Marie Spitzbart hat in Hildesheim das Projekt „Willkommen am Hildesheimer Bahnhof“ ins Leben gerufen. In Kooperation mit der Bahnhofsmission, einem Flüchtlingsheim und der örtlichen Integrationsstelle ermöglicht sie Deutschkurse für Flüchtlingskinder von fünf bis neun Jahren. In Kleingruppen lernen sie wöchentlich an einem festen Tag und zu einer festen Zeit im „Raum der Stille“ der Bahnhofsmission. „Die meisten Flüchtlinge haben keine oder sehr geringe Deutschkenntnisse. Viele Kinder und Jugendliche können noch gar nicht lesen und schreiben“, erklärt die 24-Jährige ihre Motivation. Undine-Marie Spitzbart selbst studiert im Master Soziale Arbeit an der HAWK Hildesheim. Ihr Ehrenamt gibt ihr die Möglichkeit, die Inhalte ihres Studiums und ihr Interesse an der Fluchtthematik zu verbinden. Gemeinsam mit ihren vier Kolleginnen und Kollegen hat sie das Programm bereits ausweiten können. „Eine Kollegin bietet Sportaktivitäten an. Unser stellvertretender Projektleiter repariert mit Flüchtlingen Fahrräder“, erzählt sie. Undine-Marie Spitzbart ist beeindruckt vom Engagement im Bereich der Flüchtlingshilfe. „Ich glaube an die Vielfalt“, betont sie. „Mit andere Menschen und Kulturen in Kontakt zu kommen, finde ich spannend und denke, wir können alle voneinander lernen.“ Das Deutschlandstipendium eröffnet ihr neue Austauschmöglichkeiten: „Mein Förderer, das Ehepaar Karen und Dr. Carsten Schmidt, interessiert sich sehr für meine Arbeit. Beide stammen aus dem sozialen und therapeutischen Bereich und haben mir ihre Unterstützung angeboten. Davon kann ich profitieren.“
Viel bewegen dank eines starken Netzwerks
Kristin Erhard wollte einfach aktiv werden. Da die Deutschlandstipendiatin der Technischen Universität Dresden (TU Dresden) als Studentin und junge Mutter keine große finanzielle Hilfe leisten kann, spendet sie ihre Zeit. Die 27-Jährige arbeitet ehrenamtlich in einer Erstaufnahmeeinrichtung. Dort lernte sie auch den jungen Libyer Kassem kennen, dem sie als Patin und mittlerweile Freundin zur Seite steht. Kristin Erhard studiert im Master Höheres Lehramt an berufsbildenden Schulen und kam durch die Suche nach einem Deutschkurs für Kassem dazu, einmal in der Woche selbst einen Deutschkurs zu unterstützen. Das neueste Projekt, das Kristin Erhard am Herzen liegt: Gemeinsam mit der Kindertagesstätte ihres Sohnes, in der Kassem bald ein Praktikum absolviert, möchte sie die Kinderbetreuung für eine weitere Erstaufnahmeeinrichtung organisieren. Das Deutschlandstipendium sieht die ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerin als Chance, sich stärker zu vernetzen und die Angebote für Flüchtlinge auszuweiten. „Ich hoffe, mich noch mehr austauschen zu können, zum Beispiel auch mit den Deutschlandstipendiaten, die sich in der Arbeitsgemeinschaft Asyl an der TU Dresden engagieren.“ Aber auch außerhalb der Uni möchte sie noch Überzeugungsarbeit leisten: „Mein Ziel ist es, mehr Leute zur Hilfe zu bewegen, Vorurteile zu entkräften und zu zeigen, dass es in Dresden auch viele hilfsbereite Menschen gibt.“ Kristin Erhard ist überzeugt: „Engagement lohnt sich. Die Flüchtlinge sind so dankbar und man selbst zieht viel positive Energie daraus.“
Stand: Januar 2018