Eine Hochschule für alle
Der Zugang zu Wissen sollte für alle Studierenden gleich sein. Das Dortmunder Zentrum Behinderung und Studium (DoBuS) arbeitet systematisch daran, die TU Dortmund inklusiver zu gestalten. Mitarbeiterin Alexandra Franz und Deutschlandstipendiat Niklas Strahmann erzählen, wie das gelingt.
Der Zugang zu Wissen sollte für alle Studierenden gleich sein. Das Dortmunder Zentrum Behinderung und Studium (DoBuS) arbeitet systematisch daran, die TU Dortmund inklusiver zu gestalten. Mitarbeiterin Alexandra Franz und Deutschlandstipendiat Niklas Strahmann erzählen, wie das gelingt.
„Behinderung und Studium – passt das zusammen?“ „Ab wann kann ich einen Härtefallantrag stellen und wie funktioniert das?“ „Wo und wie finde ich barrierefreien Wohnraum?“ „Welche Nachteilsausgleiche gibt es und wie kann ich sie nutzen?“ Alexandra Franz, Diplom-Pädagogin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, bekommt Fragen wie diese häufig gestellt. Seit 2019 berät sie Studieninteressierte und Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung bei DoBuS.
So wie die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen im achtköpfigen Beratungsteam verfügt auch Franz über eigene Behinderungserfahrung. Sie kennt die Herausforderungen für Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung also gut. Im Beratungsgespräch versucht sie, gemeinsam mit ihnen die bestmögliche Lösung ihres Problems zu finden. „Wir wollen Studierende unterstützten, sodass sie aktiv und eigenverantwortlich Handlungsoptionen entwickeln können“, erklärt Franz. So auch beim Deutschlandstipendium: DoBuS informiert Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung über das Angebot sowie die Anforderungen und ermutigt sie zur Bewerbung.
Bedarfe erkennen und Strukturen verändern
Das Angebot von DoBuS entstand während der 1970er-Jahre aus dem Engagement einzelner Studierender heraus. Seitdem entwickelte sich der Bereich zu einer festen Größe an der TU Dortmund. Zentral ist dabei, vom Einzelfall in größeren Strukturen zu denken – der „Dortmunder Arbeitsansatz“. So prüfen die Mitarbeitenden nach jedem Beratungsgespräch, inwieweit sich aus den Anliegen der Studierenden und Studieninteressierten strukturelle Bedarfe ableiten lassen. Daraufhin setzen die Mitarbeitenden von DoBuS am System selbst an, um die Situation für alle Betroffenen an der Hochschule zu verbessern. „Das Ziel von DoBuS war es schon immer, die Studiensituation von Studierenden mit Behinderung und chronischer Erkrankung zu verbessern. Eben eine Hochschule für alle zu sein“, erzählt Franz. Inzwischen steht das Angebot auch Lehrkräften der Universität offen, um sich zu inklusivem Lernen, assistiven Technologien oder barrierefreien Prüfungen beraten zu lassen.
Nicht dabei sein, sondern dazugehören
Alexandra Franz ist überzeugt: Eine inklusive Hochschule bedeute mehr als barrierefreie Prüfungen oder Nachteilsausgleiche. Inklusion lebe vom Miteinander, von Offenheit und Toleranz. Daher hat DoBuS 2018 ein ehrenamtliches Peer-Mentoring-Programm gestartet. Hier geben erfahrene Studierende mit Beeinträchtigungen ihr Wissen um die Universität und ihren Studiengang an die nächste Generation weiter. Die TU Dortmund sei damit eine der ersten Universitäten in Deutschland, die ein Mentoring-Programm explizit für Studierende mit Beeinträchtigung angeboten habe, berichtet Franz. Es finanziert sich aus Landesmitteln des Programms „Inklusive Hochschule NRW“.
Alexandra Franz koordiniert das Peer-Mentoring-Programm. Sie verwaltet die Bewerbungen, stellt Kontakte zwischen Studierenden aus demselben Studiengang und mit der gleichen Beeinträchtigung her. Das Peer-Mentoring-Programm ergänzt die klassische Beratung. Die Mentorinnen und Mentoren seien viel näher an der Erlebniswelt der Mentees und flexibler erreichbar. „Einen Mentor kann ich auch mal abends in der Kneipe treffen“, sagt Franz. Außerdem mache es einfach Mut und Spaß, sich mit anderen in ähnlichen Situationen auszutauschen. „Als ich angefangen habe zu studieren, gab es sowas nicht. Da hätte ich mir so etwas gewünscht.
„Peer-Mentoring-Programm“ bringt Studierende zusammen
Umso glücklicher stimmt es sie, dass die ersten Mentees von 2018 inzwischen selbst als Mentorinnen und Mentoren arbeiten. Einer von ihnen ist Niklas Strahmann. Er hat bereits seinen Bachelor in Informatik an der TU Dortmund abgeschlossen, inzwischen studiert er im vierten Mastersemester. Niklas ist an Diabetes erkrankt. Für seinen Alltag bedeutet das, ständig auf seinen Blutzucker, ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung achten zu müssen, um eine Über- oder Unterzuckerung zu vermeiden.
Noch vor seinem Studienbeginn kam Niklas zu DoBuS. Dort erhielt er eine Einladung ins Peer-Mentoring-Programm. Für Niklas bedeutet die Teilnahme nach wie vor eine Bereicherung: „Das war für mich die Möglichkeit, die Uni besser kennenzulernen und schon ein paar Kontakte zu knüpfen, bevor es losging.“ Auch wenn er damals nicht viel Hilfe beansprucht habe, sei es gut zu wissen, nicht allein zu sein. „Es war ein zusätzliches Sicherheitsnetz.“ Seit dem Wintersemester 2024/25 engagiert er sich daher selbst als Mentor. Er freut sich darauf, wieder an den gemeinsamen Veranstaltungen teilzunehmen, neue Leute kennenzulernen und seinen Beitrag zur Hochschule für alle zu leisten.
Ein Stipendium, viele Kontakte
Niklas erhielt das Deutschlandstipendium zum ersten Mal im zweiten Bachelor-Semester, insgesamt hat er sich viermal erfolgreich darum beworben. Ob er das Stipendium auch dieses Semester bekommt, ist noch offen. Niklas ist dankbar für die finanzielle Hilfe. Er stockt damit sein Gehalt als wissenschaftliche Hilfskraft auf und kann sich so voll und ganz auf die Forschung konzentrieren. Doch vor allem bedeutet das Deutschlandstipendium für ihn Anerkennung und Zugehörigkeit. Im „Netzwerk Deutschlandstipendium Dortmund“ – das Niklas sogar zeitweise leitete – konnte er sich mit anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten bei Workshops oder sozialen Veranstaltungen austauschen und anfreunden. Seine Erkrankung habe dabei keine Rolle gespielt.
Auch Alexandra Franz betont, wie das Deutschlandstipendium ein Zugehörigkeitsgefühl schaffen kann: „Für viele Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigung bedeutet es immer noch einen großen Schritt, zur Hochschule zu gehen. Das sollte nicht so sein, ist aber die Realität.“ Das Deutschlandstipendium hingegen würde ihnen zeigen, dass sie genau an der richtigen Stelle sind.
Ob Niklas wie andere Mentorinnen und Mentoren nach seinem Abschluss an der TU Dortmund bleibt, hat er noch nicht entschieden. Erst einmal plant er, im Sommer 2025 seine Masterarbeit im Bereich Machine Learning zu schreiben. Eine wissenschaftliche Karriere reizt ihn – „vielleicht in Dortmund, vielleicht woanders“, fügt er hinzu. Alexandra Franz zumindest würde es sehr freuen, den einstigen Mentee bald als Kollegen begrüßen zu können.
Stand: November 2024