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„3 Fragen an…“ Jens Kaffenberger

Wo Barrierefreiheit nicht gegeben ist, müssen Lösungen gefunden werden. Die Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS) des Deutschen Studierendenwerks setzt sich bundesweit dafür ein, Hochschulen möglichst inklusiv zu gestalten. Wie das gelingen kann, erzählt Jens Kaffenberger, Leiter der IBS, im Interview.

Wo Barrierefreiheit nicht gegeben ist, müssen Lösungen gefunden werden. Die Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS) des Deutschen Studierendenwerks setzt sich bundesweit dafür ein, Hochschulen möglichst inklusiv zu gestalten. Wie das gelingen kann, erzählt Jens Kaffenberger, Leiter der IBS, im Interview.

Herr Kaffenberger, was möchte die IBS für Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen erreichen?

Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten und diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung erhalten. Dieses Ziel ist in der UN-Behindertenrechtskonvention in Artikel 24 sehr klar festgelegt. Letztlich geht es bei unserer Arbeit um viele Bereiche. Sie betrifft die physische wie digitale Barrierefreiheit genauso wie die diversitäts- und bedarfssensible Lehre. Damit ist eine Lehre gemeint, die Studierende unterschiedlicher Bedürfnisse berücksichtigt. Aber es betrifft auch die diskriminierungsfreie Umsetzung des Nachteilsausgleichs. Viele Studierende können die Leistungsnachweise wegen ihrer Beeinträchtigung nicht in der vorgegebenen Weise oder im vorgesehenen Zeitrahmen erbringen. Sie brauchen zeitlich und/oder formal modifizierte Bedingungen. Leider gibt es immer noch zu viele Hürden bei der Beantragung. Das führt dazu, dass nicht alle berechtigten Studierenden den Nachteilsausgleich tatsächlich in Anspruch nehmen können. Dazu bräuchte es einen unbürokratischen Zugang mit vergleichbaren Standards an den Hochschulen.

Wie sieht die ideale inklusive Hochschule aus?

Die ideale Hochschule ist eine barrierefreie Hochschule. Das fängt im Gebäude an – bei Bauvorhaben muss Barrierefreiheit von Anfang an berücksichtigt werden. Barrieren in Bestandsbauten sollten mit klaren Zeitplänen abgebaut werden. Das heißt auch, dass wir den Modernisierungsstau im Hochschulbau beenden müssen. Aber es geht auch um Technik. So sollte die Barrierefreiheit bei der Anschaffung neuer Tools und neuer Software immer berücksichtigt werden. Ein weiteres großes Thema ist eine sensible Lehre, die auch die Diversität der Studierenden berücksichtigt: Lehrende und Mitarbeiter*innen an den Hochschulen sollten sensibel für die Vielfalt und Belange von Studierenden mit Behinderung sein und diese in ihrer Lehre berücksichtigen. Außerdem sind heute die formalen Anforderungen an ein Studium oft ein Riesenproblem. Dazu gehört eine sehr hohe Prüfungsdichte, das Leistungspensum, fehlende Flexibilität im Studium und Schwierigkeiten, wenn man faktisch nur in Teilzeit studieren kann. Diese Probleme beschreiben Studierende mit Beeinträchtigungen eigentlich übergreifend.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen, Barrierefreiheit vollumfänglich an Hochschulen umzusetzen?

Ich sehe sie teilweise im Umbau von Bestandsbauten und dem aktuellen Modernisierungsstau. Die digitale Barrierefreiheit muss als strategisch wichtiges Thema erkannt und die Hochschulleitungen ins Boot geholt werden. Auch sollten die Länder die Hochschulen bei der Schaffung von Barrierefreiheit stärker finanziell unterstützen. Bei der Diversität in der Lehre geht es darum, die lehrenden Mitarbeiter*innen für die Belange von Student*innen mit Behinderung zu sensibilisieren. Es macht einen großen Unterschied, ob Dozent*innen zu Beginn der Lehrveranstaltungen darauf hinweisen, dass es die Möglichkeit gibt, Nachteilsausgleiche zu beantragen oder Beratungsangebote wahrzunehmen. Dadurch entsteht bereits ein ganz anderes, viel offeneres Klima. Nur drei Prozent der Studierenden mit einer Beeinträchtigung sieht man diese auch auf den ersten Blick an. Die meisten von ihnen empfinden es als große Belastung, ständig intime Informationen über ihre Gesundheit zu offenbaren, zumal dann, wenn ihr Gegenüber nicht für das Thema sensibilisiert ist. Die Sensibilisierung ist also ein zentraler Hebel für die inklusive Hochschule. Gut ein Viertel der Studierenden mit Beeinträchtigung berichten außerdem, dass sie finanzielle Schwierigkeiten haben. Das hat viele Gründe. Aber einer ist auch, dass Mehrbedarfe wie barrierefreie Wohnungen beim BAföG nicht berücksichtigt werden. Insgesamt wird schon einiges umgesetzt. Aber trotzdem ist es noch ein weiter Weg bis zur Gleichberechtigung und Barrierefreiheit an den Hochschulen.

Die Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS)

Die Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS) ist seit gut 40 Jahren die bundesweite Kompetenzstelle zum Thema Studium und Behinderung. Zentrale Zielgruppe sind die Beauftragten und Berater*innen für Studierende mit Behinderungen in Hochschulen und Studierendenwerken. Die IBS bietet Weiterbildungen, ein umfassendes Wissensmanagement und Beratungen an. Zu ihren Aufgaben auf Bundesebene gehört, gegenüber Ministerien und Verwaltungen, Kostenträgern und Landesregierungen für die Belange von Studierenden mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen zu sensibilisieren. Die IBS wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Dieser Beitrag erschien im Rahmen des Newsletters im November 2024 zum Thema „Inklusive Hochschule – inklusives Stipendium“

Stand: November 2024